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"Die Zuschauerzahl hat sich verdoppelt, wenn nicht gar verdreifacht im Vergleich zu Errorheads Auftritt in der Music Hall vor genau einem Jahr. Es hat sich offensichtlich herumgesprochen, dass die Band um Gitarrist Marcus Deml ein absolutes Erlebnis ist und es zeigt sich, dass ein wenig langer Atem im häufig viel zu schnelllebigen Musikgeschäft von Vorteil ist.

Hätten sich die Veranstalter von der enttäuschenden Publikumsresonanz beim Worpswede-Debüt 2010 entmutigen lassen, den Rockfans der Region wäre ein famoses Konzert entgangen.

Was Errorhead auszeichnet ist, dass dort drei hoch begabte Instrumentalisten ihr Können in den Dienst einer gemeinsamen Sache stellen. Will man überhaupt etwas an dieser Truppe bemängeln, dann muss man vielleicht beim Vierten im Bunde – Sänger Andrew Graeser – leichte Abstriche machen, er steht allerdings auch weit weniger im Mittelpunkt als bei herkömmlichen Rockbands üblich. Geprägt ist der Sound der Gruppe durch Marcus Demls E-Gitarre. Das mehrfach ausgezeichnete Saiten-Genie gehört sicherlich auch nach internationalen Maßstäben zur Spitzenklasse, verfällt aber dabei nie der Hybris, sich als Meister aller Klassen eitel zu reproduzieren.

Natürlich setzt er sich klanglich in den Vordergrund und auch optisch in Szene. Er zelebriert seine Soli, aber er verliert sich nicht in Selbstbeweihräucherung und enervierenden Endlosschleifen. Er schöpft aus dem Vollen, sowohl was die Klangvariationen seines Instruments als auch seinen Ideenreichtum angeht. Was bei ihm zu einem Song wird, daraus stricken andere ein halbes Dutzend. Vor allem aber wird es wirklich zu Songs, die diese Bezeichnung verdienen und bei jeglichem Freiraum in der Ausgestaltung ihre oft an progressiven Rock angelegten Strukturen behalten. Veredelt wird sein individuelles Können im Zusammenspiel mit Frank Itt und Zacky Tsoukas.

Der mächtige Bassist und sein griechischer Kollege hinter dem nicht minder gigantischen Schlagzeug wären mit dem üblichen Beinamen „Rhythmusgespann“ eigentlich beleidigt. Auch sie strotzen nur so vor unorthodoxen Einfällen, traumwandlerischer Exaktheit und unbedingtem Willen, ihr Bestes zu geben. Zweieinviertel Stunden lang explodiert dieses Trio vor Spielfreude; ein Vergnügen ohne den geringsten Moment der Gleichförmigkeit oder Langeweile.
Zwischen den drei Instrumental-Genies als Sänger einen Platz zu finden, ist keine einfache Aufgabe. Andrew Graeser orientiert sich dabei an Hardrock-Shouter klassischer Ausprägung, wechselt aber auch schon mal zum Rap. Manchmal neigt er dazu, die Schnörkel zu übertreiben, völlig unnötigerweise „übersingt“ er quasi und auch in seinen Ansagen – oft im Disput mit Deml – wären etwas weniger Ausschweifungen sicher besser. Wirklich trüben kann das den brillanten Gesamteindruck von Errorhead aber nicht.

Verbeugung vor Gitarrenhelden Marcus Deml zollt mit einer Coverversion von „Little Wing“ seinem Idol Jimi Hendrix Tribut und widmet dem vor einem Monat verstorbenen Gary Moore seinen Song „Watch my cloud“. Zuvor improvisiert er ein Requiem, das „I still got the blues“ zitiert, aber eigentlich könnte man das ganze Konzert als eine Art Verbeugung vor diesen Gitarrenhelden verstehen. Wie Moore lotet auch Deml die Möglichkeiten zwischen Blues, Hardrock und der Verarbeitung diverser Einflüsse von Folk bis Klassik aus.

Er berichtet davon, wie er den Iren als Jugendlicher in einer Fernsehsendung sah und wie prägend dieses Erlebnis für ihn bis heute ist. Er sei Außenseiter gewesen, habe als 13-Jähriger nur Jazz gehört, wurde von seinen Klassenkameraden wegen seiner tschechisch geprägten Aussprache, seinen roten Haaren und dem zweiten Vornamen Nepomuk ausgelacht und fand so Zeit, acht Stunden täglich Gitarre zu üben. Auch sein Vater hasse seine Musik bis heute, berichtet der gebürtige Prager, und widmet ihm sein ungewöhnlichstes Stück: „Tata“ ist im Grunde eine leicht angerockte Variation eines typischen Django Reinhardt-Stücks. Fast scheint es so, als wolle Deml einfach nur mal zeigen, dass er auch locker Jazz spielen könnte – wenn er nur wollte.

 Er aber ist durch und durch Rockgitarrist – das ist keine Pose, sondern pure Leidenschaft. Mit seinem schief gelegten Kopf, geschlossenen Augen und leicht geöffnetem Mund gibt er sich seinem eigenen Spiel hin. Bei hohen Tönen reckt er sich auf Zehenspitzen, so als wolle er immer noch ein bisschen höher hinaus, dauernd auf der Suche, um noch mehr als 100 Prozent herauszuholen. Keine Herausforderung kann für ihn zu groß sein, um sie nicht mit seiner perfekten Spielwiese Errorhead meistern zu können. Das honoriert nun auch verdientermaßen das Publikum in Worpswede."

© Lars Fischer, Bremer Tageszeitungen AG 2010/2011